Gymnasiale Maturitätsschulen bereiten auf den Eintritt in weiterführende Ausbildungsgänge auf der Tertiärstufe vor, namentlich auf ein Studium an einer universitären Hochschule. Gymnasiale Maturitätsschulen gibt es in allen Kantonen. Bund und Kantone regeln die Anerkennung der gymnasialen Maturitätsschulen gemeinsam.
Die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsschulen wird über die 1995 in Kraft getretene Verordnung des Bundesrates bzw. über das gleichlautende Reglement der EDK über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAV/MAR) geregelt. Die gymnasiale Maturität wurde seither in zwei Etappen evaluiert (EVAMAR). Im Nachgang zur zweiten Evaluation (EVAMAR II) haben Bund und Kantone basale fachliche Kompetenzen für die allgemeine Studierfähigkeit in der Erstsprache und Mathematik festgelegt, um den prüfungsfreien Hochschulzugang langfristig zu sichern.
Der Eintritt in eine gymnasiale Maturitätsschule erfolgt mehrheitlich im letzten Schuljahr der Sekundarstufe I oder im Anschluss an die Sekundarstufe I. In der Regel dauert die Maturitätsausbildung vier Jahre. Bei einem dreijährigen Maturitätslehrgang (Eintritt im Anschluss an die Sekundarstufe I) muss im letzten Schuljahr auf der Sekundarstufe I eine gymnasiale Vorbildung erfolgen. Verschiedene deutschsprachige Kantone führen neben gymnasialen Maturitätsschulen mit einer vierjährigen Ausbildungsdauer (Kurzzeitgymnasium) auch gymnasiale Maturitätsschulen, in denen der Eintritt bereits nach der Primarstufe erfolgt (Langzeitgymnasium; Dauer: sechs Jahre). Die französisch- und italienischsprachige Schweiz kennt keine Langzeitgymnasien.
Jeder Kanton legt eigenständig die Aufnahmebedingungen für die gymnasialen Maturitätsschulen fest. Für den Übertrittsentscheid werden die Leistungen der Schülerinnen und Schüler beurteilt. Mögliche Instrumente sind Gesamtbeurteilungen, Noten und Aufnahmeprüfungen oder eine Kombination davon.
Bildungsziel der gymnasialen Maturitätsschulen ist es, Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf ein lebenslanges Lernen grundlegende Kenntnisse zu vermitteln, die geistige Offenheit und die Fähigkeit zum selbstständigen Urteilen zu fördern sowie jene persönliche Reife zu erlangen, die Voraussetzung für ein Hochschulstudium ist. An gymnasialen Maturitätsschulen sollen Intellekt, Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit, persönliche Lern- und Arbeitstechniken, Wissensbeschaffung und der Umgang mit Informationstechnologien sowie Kompetenzen in den Bereichen Soziales, Ethik, Politik, Wissenschaft, Kommunikation, Kultur, Ästhetik gefördert werden.
Die Schulen unterrichten nach Lehrplänen, die vom Kanton erlassen oder genehmigt worden sind und sich nach dem Rahmenlehrplan für Maturitätsschulen der EDK richten.
Die Grundlagenfächer, ein Schwerpunktfach und ein Ergänzungsfach bilden die Maturitätsfächer, hinzu kommt die Maturaarbeit.
Folgende Fächer sind Grundlagenfächer:
erste Landessprache
eine zweite Landessprache
eine dritte Sprache (eine dritte Landessprache, Englisch oder eine alte Sprache)
Mathematik
Biologie
Chemie
Physik
Geschichte
Geografie
Bildnerisches Gestalten und/oder Musik
Als weitere obligatorische Fächer belegen alle Schülerinnen und Schüler eine Einführung in Wirtschaft und Recht sowie Informatik. Die Kantone können Philosophie als weiteres Grundlagenfach anbieten.
Das Schwerpunktfach kann aus acht, das Ergänzungsfach aus vierzehn Fächern oder Fächergruppen ausgewählt werden. Es werden nicht alle Fächer in allen Schulen angeboten. Massgebend für das entsprechende Ausbildungsangebot einer gymnasialen Maturitätsschule sind die Bestimmungen des Kantons.
Die Kantone legen die Wochenstundenzahlen gemäss dem Reglement der EDK, resp. der Verordnung des Bundesrates über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR/MAV) fest. Gemäss diesem beträgt der Unterrichtsanteil der Sprachen 30 bis 40%, der Bereich Mathematik und Naturwissenschaften wird mit 25 bis 35% dotiert, Geistes- und Sozialwissenschaften mit 10 bis 20%, Bildnerisches Gestalten und/oder Musik mit 5 bis 10%. 15 bis 25% müssen für den Wahlbereich (Schwerpunktfach, Ergänzungsfach sowie die Maturaarbeit) aufgewendet werden.
In der Mehrheit der Kantone gibt es gymnasiale Maturitätsschulen, in denen eine zweisprachige Maturität erlangt werden kann. Zudem können Schülerinnen und Schüler oft internationale Fremdsprachenzertifikate erwerben, oder es werden Vorbereitungskurse auf die Zertifikatsprüfungen angeboten.
Die Kantone regeln die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler. Die Beurteilung orientiert sich an den Lernzielen des Lehrplans. Die Lehrperson legt aufgrund der Lernziele fest, was die Schülerinnen und Schüler erreichen müssen und ist verantwortlich für die Beurteilung. Die Leistungen werden mit Noten von 1 bis 6 (6 = beste Note; 4 = genügend; unter 4 = ungenügend) bewertet. Am Ende eines Semesters oder am Ende des Schuljahres wird ein Zeugnis ausgestellt, das über die Versetzung in die nächste Klasse entscheidet. Lernberichte sind wenig gebräuchlich.
Am Ende der Ausbildung findet in mindestens fünf Maturitätsfächern eine schriftliche Maturitätsprüfung statt, die zusätzlich durch eine mündliche Prüfung ergänzt werden kann. Prüfungsfächer sind die Erstsprache, eine zweite Landessprache, Mathematik, das Schwerpunktfach und ein weiteres Fach. Zu den Maturitätsnoten zählen
die Leistungen in den Prüfungsfächern und die erzielten Leistungen im letzten Ausbildungsjahr
die Leistungen in den übrigen Fächern im letzten Ausbildungsjahr, in dem das Fach unterrichtet worden ist
die Bewertung der Maturaarbeit
Die Maturaarbeit ist eine grössere eigenständige Arbeit, welche die Schülerinnen und Schüler erstellen und präsentieren. Sie wird in der Regel im zweitletzten oder letzten Jahr des Maturitätsschulunterrichts erstellt. Das Reglement der EDK resp. die Verordnung des Bundesrates über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR/MAV) regelt die Bestehensnormen zur Erlangung eines gymnasialen Maturitätsausweises. Der gymnasiale Maturitätsausweis berechtigt grundsätzlich zum direkten Zugang zu kantonalen Universitäten, Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) und Pädagogischen Hochschulen sowie mit Zusatzleistungen zu Fachhochschulen.
Personen, die den gymnasialen Maturitätsabschluss nachholen möchten, können eine anerkannte gymnasiale Maturitätsschule für Erwachsene besuchen (Dauer: mindestens drei Jahre). Ein gymnasialer Maturitätsausweis kann auch erworben werden, ohne eine anerkannte gymnasiale Maturitätsschule oder eine Maturitätsschule für Erwachsene zu besuchen: Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) bietet die Möglichkeit, die schweizerische Maturitätsprüfung zu absolvieren. Die Vorbereitung auf die Prüfung ist frei, sie kann über eine private Maturitätsvorbereitungsschule oder autodidaktisch erfolgen.